Pupertät

Ihr Hund in der Pubertät

oder: „Ich geh dann schon mal vor!“

Zwischen 6 und 12 Monaten werden junge Hunde geschlechtsreif. Körperlich erwachsen sind die meisten dann mit zwei Jahren. Aber die geistige Reifung ist erst mit dem Abschluss des dritten Jahres abgeschlossen. Erst dann dürfen Hundebesitzer endlich entspannen, das Ruder mal nicht mehr so fest in der Hand halten und sich nicht auf ständige Überraschungen ihres Lieblings gefasst machen.

Wenn Sie jetzt mit den Augen rollen, weil Sie gerade so einen Kandidaten Ihr Eigen nennen – geben Sie nicht auf – noch ist es nicht zu spät! Denn pubertäres Verhalten ist – genau wie beim Menschen – einerseits temporär und andererseits (zum Glück) beeinflussbar.

 

Dr. Jekkyl und Mr. Hyde

Beginnen tut das Ganze mit ca. einem halben Jahr. Viele Verknüpfungen im Hirn werden neu geflochten, Welpen verhalten gehört peux a peux zum alten Eisen. Aber auch der Angsthase und das Sensibelchen werden plötzlich deutlich sichtbar. War ein Hund im ersten halben Jahr nur schüchtern oder vorsichtig, so rennt er im schlimmsten Fall nun in blinder Angst davon. Hat er in den ersten sechs Monaten ab und an geknurrt, wenn ihm das Spiel zu wild oder der Artgenosse zu nah kam, so lässt er jetzt die Zähne sprechen und der Besitzer hat das Gefühl Dr. Jekkyl und Mr. Hyde im Wechsel an der Leine zu führen. Das ist der Moment in dem sich viele fragen, warum sie sich einen Hund angeschafft haben. Wer bisher der Meinung war, er braucht keine Hundeschule, weil der Süße so folgsam und auch draußen so anhänglich war, sollte spätestens jetzt mich aufsuchen.

Jetzt geht´s ab

Das Hirn ist in der Pubertät vergleichbar mit einer Rohbaustelle. Nichts ist mehr wie es war und das bedeutet Stress! Nicht nur für die Hundebesitzer auch Bello, Stella oder Mausi haben einen Mega-Stress! Bis das Gehirn beginnt, nach der Pfeife von Testosteron oder Östrogen zu tanzen sieht die Welt schwarz/weiß aus. Aber plötzlich gibt es alles gleichzeitig in Farbe und 3D! Und das ohne Vorwarnung! Hunde, für die Gerüche ebenso wichtig sind, wie visuelle Reize entdecken plötzlich die Bedeutung von Markierungen.

Rüden bleiben nicht nur alle 10 Meter stehen, um das Bein zu heben, sie nehmen auch alle Markierungen von allen anderen wahr. Alles bekommt eine neue Bedeutung. Und Begegnungen werden nicht nur interessanter, weil man selbst so viel mehr entdeckt und ausprobieren kann. Auch die anderen Hunde riechen „was da jetzt ab geht“ und man bekommt schneller mal eine grobe Zurechtweisung für aufdringliches Verhalten als früher.

 

Wo ist mein Platz?

In der Wildnis würde der junge Rüde nun seinen Platz im Rudel suchen und finden. Das heißt nach oben wird getrickst und geboxt, denn vielleicht schafft man es ja ein Treppchen weiter zu kommen. Beim Spaziergang heißt das: Ein deutlich größerer Aktionsradius und ein deutlich kleinerer Gehorsam. Aggressive Auseinandersetzungen, Verbellen von „Feinden“ und die Entdeckung der eigenen Jagdleidenschaft – für die Besitzer beginnt eine anstrengende Zeit. Bitte hören Sie nicht auf die schlauen Ratschläge anderer, hier mit Gewalt einmal richtig durchzugreifen. Mit Härte kommen Sie nur kurzfristig und scheinbar weiter. Auf lange Sicht verliert der Hund so das Vertrauen in Sie und den Verlust einer entspannten Grundhaltung in allen Lebenslagen.

Da sich der Hund in einer emotional unsicheren Phase befindet, die mit Stress verbunden ist, fällt dem Tier das Lernen jetzt sehr schwer. Schimpfen und Schlagen erhöht den Stress – und auf keinen Fall die Lernbereitschaft. Fahren Sie mal Achterbahn und lernen dabei ein kleines Gedicht auswendig – dann wissen Sie wie Ihr Hund sich jetzt fühlt. Besser ist es, hier ruhig und konsequent ohne Wutausbrüche zu bleiben. Clickertraining oder Schnüffelarbeit sind ideal um diese Phase gemeinsam und gut zu überstehen, denn das stärkt das Team, die Lernbereitschaft und der Hund findet anderer Aufgaben, mit denen er sich selbst seiner Stärke vergewissert.

 

Sozialisierung ist wie Impfen

Was sich bisher nur als kleine Unsicherheit oder G’schnappigkeit zeigte, ganz gleich ob gegen Mensch oder Hund – das kann nun zu ernsthafter Aggression führen. Deshalb ist es so wichtig, den kleinen Welpen durch Sozialisierung mit Umweltreizen, Menschen und anderen Hunde, vor allem durch die Welpenspielstunde den Weg zu einem entspannten und souveränen erwachsenen Hund zu ermöglichen. Sozialisieren ist wie Impfen gegen Verhaltensprobleme. Die beste Vorbeugung, um gut durch Pubertät und Flegeljahre zu kommen.

Aber auch wenn Sie Ihren Hund erst später bekommen ist der Zug noch nicht abgefahren, wenn er nervös oder ängstlich oder gar aggressiv reagiert. Aber es dauert länger und vielleicht braucht man Methoden aus der Verhaltenstherapie, um den jungen Hund trotzdem noch auf das richtige „Gleis“ zu stellen, damit er auf ruhigem Kurs Richtung „erwachsener Hund“ weitergehen kann. Ich helfe Ihnen gerne weiter den richtigen Weg und Trainingsmethoden für Ihren Hund auszuwählen.

 

(Quelle: Tierklinik München)

Welpenentwicklung

In der Welpenentwicklung sind die ersten 4 Lebensmonate essenziell für den späteren Umgang mit der Umwelt. In dieser Phase erfolgt die Sozialisierung. Der Welpe ist besonders aufnahmefähig für alle grundlegenden Erfahrungen die ein entspanntes Zusammenleben in der Zukunft gewährleisten. Was der Hund in dieser Zeit nicht kennenlernt, kann ihm später Angst machen und sogar Aggressionsverhalten auslösen. In der Natur lernt ein Wolfswelpe in dieser Phase all die Dinge, die ihm ein Überleben in der Wildnis sichern. Er lernt durch den Kontakt zu Wurfgeschwistern und Rudelmitgliedern die wichtigsten Spielregeln des Hundeverhaltens, neugierig und entspannt die Umgebung zu erkunden und Gefahren richtig einzuschätzen.

Nachdem ihr Welpe mitten in dieser Prägungsphase von seinem Wurf und seinem bisherigen Rudel getrennt wurde, ist es nun Ihre Aufgabe, Ihrem Vierbeiner ein entsprechendes Umfeld zu bieten, in dem er alles lernen kann was für ein glückliches Hundeleben wichtig ist. In der Sozialisierungsphase ist der Welpe besonders offen für neue Reize, er wird nie wieder besser lernen. Hier überwiegt die Neugier. Je mehr der Welpe in dieser Zeit lernt, umso souveräner reagiert er auch später auf alles Neue. Das bedeutet besonders bei Hunden, dass Sie mit Ihrem Neuzugang ein großes Sozialisierungsprogramm in den ersten Lebenswochen absolvieren müssen.

 

Emotionale Kompetenz

Es ist wichtig, die Waage zu halten, zwischen Ruhe und Erholung – die ein Welpe dringend braucht – und Ausflügen, auf denen er immer wieder Neues kennen lernt. Ein Stadtbummel von drei Stunden ist viel zu anstrengend für den Kleinen. Aber eine Stunde in einer ruhigen Fußgängerpassage kann schon mal sein. Nur zum Einkaufen kommt man dabei nicht – und das sollte auch nicht das Ziel sein. Bis zur 20 Lebenswoche geht es darum, den jungen Hund immer wieder mit neuen Dingen zu konfrontieren, ohne ihn zu überfordern. Ihr Welpe hat keine Festplatte im Kopf und er sammelt Informationen nicht wie ein Lexikon. Natürlich geht es auch um das faktische Sammeln verschiedener Erfahrungen, noch wichtiger ist dabei aber das Training der sog. „emotionalen Kompetenz“. Mit jeder neuen und aufregenden Erfahrung trainiert er auch seine emotionale Anpassung an alles, was ihn aufregt, stresst, freut, Angst macht oder sogar auch mal sauer werden lässt.

All das gehört zum normalen Empfinden dazu – wie bei uns. Aber ungeübte, wenig sozialisierte Hunde neigen auch später dazu, hier weit über das Ziel hinaus zu schießen. Sie freuen sich „wie ein Schnitzel“, so dass man sie gar nicht mehr beruhigen kann, sie haben Panik, wo ein wenig Angst normal wäre, sie sind hypernervös bis hyperaktiv, haben eine niedrige Reizschwelle und können sich nur schwer konzentrieren und manchmal können sie auch Ihre Aggression nicht kontrollieren, was zu großen Verhaltensproblemen führen kann. Damit Ihr Hund ein „cooler“ und souveräner Partner wird, lohnt es sich also, diese wichtige Entwicklungsphase im Sinne Ihres Hundes zur Priorität Nummer 1 Ihrer Zeiteinteilung zu machen. Denn was Sie jetzt an Zeit und Energie investieren, das begleitet sie in den nächsten 12 bis 15 Jahren – es lohnt sich also!

 

Ihre Aufgabe

Ihrem Hund sollen alle Kennenlern-Übungen zur Sozialisierung Spaß machen. Stress und Angst blockieren das Lernen und verwandeln eine anfängliche leichte Unsicherheit wohlmöglich in Panik oder Aggression. Führen Sie Ihren Welpen mit Geduld und guten Worten, vielleicht sogar mit Leckerlis, an Neues heran. Da es natürlich unmöglich ist, alle eventuell im Leben eines Hundes auftretenden Reize im Welpen alter zu „üben“ ist es Ziel der Sozialisierung, dem Hund zu vermitteln, dass Neues nichts Schlimmes bedeutet.

Die Hundesprache lernen

Der Kontakt zu anderen Hunden ist besonders essenziell während der Sozialisierungsphase. Die reduzierte Mimik einer „Plattnase“, die aufgestellten Ohren eines Schäferhundes oder der Kamm eines Ridgebacks können von schlecht sozialisierten Hunden missverstanden werden. Ihr Welpe sollte daher während der Prägungsphase auf möglichst viele verschiedene Hunderassen treffen, damit er lernt dass Chihuahua, Bulldogge und Irish Wolfhound Artgenossen sind, mit denen man auf unterschiedlichste Art und Weise spielen kann. Der Kontakt zu anderen Hunden darf dabei nicht fehlen. Auch wenn Ihr Zögling auf den Spaziergängen erwachsene Hunde trifft, fehlt ihm der regelmäßige Kontakt zu gleichaltrigen Spielpartner. Bei ausgewogenem Kräfteverhältnis können sich die Kleinen richtig austoben und dabei spielerisch die wichtigsten Signale der Hundesprache lernen.

Alle Jahre wieder…

…erleben viele Hunde den Rutsch ins Neujahr mit Stress und Angst. Da die Böllerei ja schon Tage vor Silvester beginnt können sich sensible Hunde in regelrechte Panik hineinsteigern. Dies kann sich auf unterschiedliche Weise zeigen: von Winseln, Fiepen, Bellen und sich Verstecken bis hin zu schweißnassen Pfoten, Durchfall und Futterverweigerung. Richtig problematisch wird es, wenn sich aus den Tagen um Silvester eine allgemeine Geräuschempfindlichkeit entwickelt oder wenn der Hund – von einem Knaller überrascht – in Panik auf und davon rennt.

Manche Hunde trauen sich dann schlussendlich gar nicht mehr vor die Tür und erledigen Ihr „Geschäft“ dann lieber drinnen – zum Leidwesen der Besitzer.

Damit Sie und Ihr Vierbeiner diese Probleme am besten erst gar nicht kennen lernen oder zumindest (wenn ihr Hund bereits geräuschsensibel ist) das Schlimmste verhindern können, möchten wir Ihnen einige Tipps an die Hand geben:
1. Vorsorge ist besser als Nachsorge: wenn Ihr Welpe bereits in der Sozialisationsphase (1. – 20. Lebenswoche) laute Geräusche als etwas Unproblematisches kennen lernt, werden ihm Silvestergeballer, Polizeisirenen oder andere Lärmquellen auch später wahrscheinlich keine Angst machen.

2. Lassen Sie Ihren Vierbeiner in den Tagen um Silvester in Wohnsiedlungen und besonders abends nicht von der Leine. Ein Hund, der sich erschreckt macht schnell einen Satz auf die Straße oder rennt gar viele Meter in seiner Angst querfeldein. Daher ziehen Sie Ihrem Vierbeiner lieber ein gut sitzendes Geschirr oder Halsband an, aus dem er sich nicht entwinden kann.

3. Wenn Ihr Vierbeiner bereits ängstlich auf bestimmte Geräusche reagiert, „beruhigen“ Sie ihn auf keinen Fall. Was wir Menschen als beruhigend oder tröstend empfinden, wird Ihr Hund nur als Bestätigung seines Angstverhaltens interpretieren. Verkneifen Sie sich daher auf ihn einzureden („Schnuffi, Du brauchst keine Angst haben, alles ist gut…“) oder ihn zu beschmusen. Zeigen Sie Ihrem Hund lieber durch souveränes Auftreten, dass Sie überhaupt keine Angst haben: Sie können Ihren normalen Tätigkeiten nachgehen oder ein spannendes Spiel mit ihrem Hund starten oder ihm einige einfache Kommandos geben und ihn für das Befolgen überschwänglich belohnen.

5. Zeigt Ihr Hund bei lauten Geräuschen panikartiges Verhalten, will er nicht mehr unter der Bank oder dem Bett hervorkommen, setzt er Urin ab oder zerrt er draußen an der Leine und will einfach nur weg sobald der Lärm zu hören ist, konsultieren Sie mich wegen Verhaltenstherapie.